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Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Schenkung

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Beitrag geprüft vonRechtsanwalt Philipp Caba**
28.02.2023 | 3 Min. Lesezeit
  • Wurde das Vermögen des Erblassers durch Schenkungen verkleinert, können Pflichtteilsergänzungsansprüche greifen.
  • Schenkungen, die zum Zeitpunkt des Erbfalls über 10 Jahre her sind, lösen keinen Pflichtteilsergänzungsanspruch mehr aus.
  • Sie wurden enterbt und brauchen Beratung? Unsere Expert:innen sind an Ihrer Seite und planen mit Ihnen die nächsten Schritte.

Was bedeutet Pflichtteilsergänzung?

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch verhindert, dass Erblasser ihr gesamtes Vermögen zu Lebzeiten verschenken und dadurch den Pflichtteil für enterbte Angehörige umgehen. Einen Anspruch auf Pflichtteilsergänzung haben also nur jene Personen, die auch einen Anspruch auf den Pflichtteil haben.

Wir wollen die Vorgehensweise Schritt für Schritt erläutern.

  • Pflichtteilsberechtigte Personen erhalten trotz Enterbung einen Teil des Nachlasses

Wer ein Testament aufsetzt, hat die Möglichkeit, Angehörige zu enterben. Nahe Angehörige, vorrangig Kinder und Ehepartner haben jedoch einen Anspruch auf den Pflichtteil. Das bedeutet, dass pflichtteilsberechtigte Personen, die vom Erblasser enterbt wurden, ihren Pflichtteil einfordern können.

Der Pflichtteil beträgt grundsätzlich die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.

  • Schenkungen zu Lebzeiten verkleinern das Vermögen: Pflichtteilsberechtigte haben Anspruch auf Ergänzung

Nun hat ein Erblasser zu Lebzeiten jedoch die Möglichkeit, Dritten eine Schenkung zu machen; in einem solchen Fall verkleinert sich das Vermögen und somit auch der Erbteil der pflichtteilsberechtigten Person. Der Erblasser könnte den Pflichtteilsanspruch von enterbten Personen auch vollständig umgehen, indem er sein gesamtes Vermögen verschenkt. Um genau das zu verhindern, gibt es den Pflichtteilsergänzungsanspruch.

Der Enterbte hat Anspruch auf eine Ergänzung seines Pflichtteils, wenn dieser durch Schenkungen zu Lebzeiten verringert wurde. Ist zwischen der Schenkung und dem Erbfall weniger als ein Jahr vergangen, dann wird die Schenkung dem Vermögen wieder hinzugerechnet. Im Grunde wird also so getan, als hätte die Schenkung nicht stattgefunden.

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Sie wurden enterbt und haben einen Anspruch auf den Pflichtteil? Unsere Expert:innen beraten Sie gern und prüfen, welche Schenkungen bei der Berechnung berücksichtigt werden müssen.

Wie funktioniert der Pflichtteilsergänzungsanspruch in der Praxis?

Das mag alles ein wenig abstrakt klingen. Und natürlich gibt es viele Sonderfälle und Besonderheiten, die bei einem Erbfall auftreten können. Die grundsätzliche Vorgehensweise des Pflichtteilsergänzungsanspruchs wollen wir jedoch anhand eines Beispiels erläutern:

Ein Erblasser hat zwei Kinder, eine Tochter und einen Sohn, und ein Vermögen von 200.000 Euro. Er enterbt nun seinen Sohn, schreibt in sein Testament also beispielsweise: “Meine Tochter wird alleinige Erbin meines Vermögens.”

Daraufhin erbt seine Tochter das Gesamtvermögen von 200.000 Euro. Der Sohn wird auf den Pflichtteil gesetzt und hat nun einen Anspruch auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, also auf 50.000 Euro. Nun hätte der Vater noch zu Lebzeiten die gesamten 200.000 Euro an seine Tochter verschenken können, um den Pflichtteilsanspruch des Sohnes zu umgehen. Der Sohn wäre dann leer ausgegangen, denn nach dem Ableben des Erblassers hätte es kein Vermögen mehr gegeben, aus dem der Pflichtteil hätte berechnet werden können. In solchen Fällen greift der Pflichtteilsergänzungsanspruch.

Was ist eine Schenkung?

Eine Schenkung ist ein Sachwert, der von einem Schenker an einen Beschenkten geht, wobei die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. Das meint eigentlich nur, dass bei einer Schenkung kein Geld im Spiel ist.

Ein Sonderfall ist die gemischte Schenkung: Davon sprechen Juristen, wenn es zwar eine Gegenleistung für eine Zuwendung gab, diese aber unterhalb des Vermögenswertes lag. Beispiel: Ein Erblasser hat zu Lebzeiten sein Auto, das eigentlich einen Wert von 5.000 Euro hat, für nur 2.000 Euro verkauft. Auch in diesem Fall hätte der Enterbte einen Anspruch auf Pflichtteilsergänzung, und zwar in Höhe der Differenz zwischen Wert und tatsächlichem Verkaufspreis, in unserem Beispiel also 3.000 Euro.

  • Der Pflichtteilsergänzungsanspruch gilt nicht für alle Schenkungen!

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch gilt nicht für Anstandsschenkungen und Pflichtschenkungen. Das bedeutet, dass beispielsweise Geldgeschenke zur Hochzeit nicht berücksichtigt werden.

Abschmelzungsverfahren: Wie hoch fällt der Pflichtteilsergänzungsanspruch aus?

Die Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs richtet sich nach der Höhe der Schenkung und danach, wie viel Zeit zwischen der Zuwendung und dem Erbfall liegt. Ist zwischen dem Zeitpunkt der Schenkung und dem Ableben des Erblassers weniger als ein Jahr vergangen, wird die Schenkung in vollem Umfang berücksichtigt und dem Nachlass wieder hinzugerechnet. In diesem Fall würde die Schenkung den Nachlass und somit auch den Pflichtteil nicht verkleinern.

Für jedes weitere Jahr, das zwischen der Schenkung und dem Erbfall liegt, wird jeweils ein Zehntel vom Wert der Schenkung abgezogen. Liegen zwischen dem Ableben des Erblassers und der Schenkung also mehr als 10 Jahre, wird die Zuwendung dem Nachlass nicht hinzugerechnet.

Diese Vorgehensweise wird Abschmelzungsmodell oder pro-rata-Regelung genannt.

Wie werden Schenkungen bewertet?

Natürlich können nicht nur Autos und Schmuckstücke verschenkt werden. Ein Erblasser kann frei bestimmen, welche Zuwendungen er macht; der Zeitpunkt der Bewertung richtet sich daher nach der Art der Schenkung. Hier einige Beispiele:

  • Verbrauchbare Schenkungen (beispielsweise Geld): Es gilt der Zeitpunkt der Schenkung.
  • Immobilien: Es gilt der Wert zum Zeitpunkt des Erbfalls.
  • Niederstwertprinzip: Hatte ein Sachgegenstand zum Zeitpunkt der Schenkung einen geringeren Wert als zum Zeitpunkt des Erbfalls, dann wird allein der geringere Wert berücksichtigt. Spätere Wertsteigerungen kommen dem Pflichtteilsberechtigten also nicht zugute. Dem Nachlass wird nur der Wert hinzugefügt, den der Erblasser zu Lebzeiten verschenkt hat.

Wer zahlt den Pflichtteilsergänzungsanspruch?

Der Erbe ist verpflichtet, den Pflichtteilsergänzungsanspruch gegenüber dem Enterbten aus dem Nachlass zu zahlen. Das bedeutet auch, dass der Enterbte einen Anspruch auf Kenntnis über alle Schenkungen hat, die der Erblasser dem Erben noch zu Lebzeiten gemacht hat und die seinen Pflichtteil verringern. Die Erben sind demnach auch dazu verpflichtet, ein Verzeichnis über alle Schenkungen zu führen, die dem Nachlass zur Berechnung des Pflichtteils hinzugefügt werden müssen. Sollte nicht genug Nachlass vorhanden sein, um die Ansprüche des Enterbten zu bezahlen, kann sich dieser direkt an die Beschenkten wenden.

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Sie haben einen Anspruch auf Pflichtteilsergänzung und brauchen Hilfe, diesen einzufordern? Das ist verständlich; als Pflichtteilsberechtigter haben Sie oft keinen Überblick darüber, was zum Nachlass gehört. Wir beraten Sie!

Häufige Fragen zum Thema “Pflichtteilsergänzungsanspruch”

Wer hat Anspruch auf Pflichtteilsergänzung?

Einen Anspruch auf Pflichtteilsergänzung haben nur Personen, die enterbt wurden, an sich jedoch pflichtteilsberechtigt sind. Pflichtteilsergänzungsanspruch hat also nur, wer auch einen Pflichtteilsanspruch hat. Ganz konkret sind das Kinder und Ehegatten des Erblassers (uneingeschränkter Pflichtteilsanspruch) und Enkel und Urenkel des Erblassers (eingeschränkter Pflichtteilsanspruch). Wurde der Nachlasswert — und damit auch die Höhe des Pflichtteils — durch eine Schenkung verringert, können diese Personen ihren Anspruch auf Pflichtteilsergänzung geltend machen.

Wie erfahre ich von einer Schenkung?

Schenkungen werden nicht immer schriftlich dokumentiert. Ein Pflichtteilsberechtigter hat daher häufig keinen Überblick darüber, welche Schenkungen der Erblasser zu Lebzeiten gemacht hat und welche davon zum Nachlass gehören. Der Enterbte hat daher Ansprüche auf Auskunft: Die Erben müssen ein Verzeichnis erstellen, in dem die geschenkten Vermögenswerte aufgeführt sind. Die Erben müssen über Vermögensübertragungen informieren und auch über gemischte Schenkungen Auskunft geben.

Können Pflichtteilsergänzungsansprüche verjähren?

Ja. Für Pflichtteilsergänzungsansprüche gilt eine dreijährige Verjährungsfrist zum Jahresende. Die Frist beginnt, sobald der Enterbte Kenntnis vom Erbfall, vom Testament des Erblassers oder von der Schenkung unter lebenden Personen hat. Kenntnis ist in diesem Fall gleichbedeutend mit grob fahrlässiger Unkenntnis. Das bedeutet, dass der Pflichtteilsberechtigte von der Schenkung gewusst haben müsste.

Gibt es Pflichtteilsergänzungsanspruch auch auf Immobilien?

Ja, Schenkungen von Immobilien zu Lebzeiten haben ebenfalls Einfluss auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch.

Ein Erblasser verschenkt zu Lebzeiten eine Immobilie und verringert dadurch seinen Nachlass und auch den Pflichtteil anderer Erben. Nun will der Schenkende aber weiterhin in der Immobilie wohnen und vereinbart daher ein Nießbrauchsrecht mit dem Beschenkten. Der Schenkende ist also kein Eigentümer, hat aber Nutzungsrechte und kann wirtschaftliche Vorteile aus der Immobilie ziehen. So können Eltern ihren Kindern beispielsweise eine Immobilie schenken, aber weiterhin in dieser wohnen.

Was bedeutet ein Nießbrauch also für den Pflichtteilsergänzungsanspruch? Bei einem Nießbrauch setzt das Abschmelzungsmodell, also die oben erläuterte 10-Jahres-Frist erst ein, wenn alle Nießrechte abgelaufen sind. Hat der Erblasser also eine Immobilie verschenkt und ein Nießbrauchsrecht mit dem Beschenkten vereinbart, dann haben Pflichtteilsberechtigte auch nach mehr als 10 Jahren noch einen Pflichtteilsergänzungsanspruch. Die Abschmelzung läuft bei einem Nießbrauch also nicht an.

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Rechtsanwalt Philipp Caba**

Rechtsanwalt Philipp Caba**

Philipp Caba ist ein erfahrener Rechtsanwalt mit Schwerpunkt auf Zivil-, Bank- und Versicherungsrecht. Er studierte in Deutschland und Schweden und ist Geschäftsführer der Gansel Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.

* Angestellte Anwälte, ** Geschäftsführer, *** Freischaffende Rechtsanwälte