Kündigung wegen Tätlichkeit
- Wer seinen Kollegen oder Vorgesetzten angreift, muss die Konsequenzen tragen – in der Regel bedeutet das die ordentliche oder außerordentliche Kündigung.
- Diese kann damit begründet werden, dass ein sogenannter tätlicher Angriff eine schwere Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten darstellt.
- Nicht immer ist eine Kündigung jedoch gerechtfertigt, zum Beispiel dann, wenn man unfreiwillig in eine körperliche Auseinandersetzung verwickelt wird.
- In einem solchen Fall sollten Sie sich Unterstützung von einem spezialisierten Anwalt holen.
Inhalt:
Konflikte am Arbeitsplatz können eine echte Belastung sein. Besonders eine Kündigung bedeutet purer Stress. Wir erklären, warum es sich dabei lohnt, einen Anwalt zu konsultieren und so auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber verhandeln zu können.
Kündigung wegen Tätlichkeit: Die Grundlagen
Jeder kennt ihn, den Spruch „Gewalt ist keine Lösung“. Gerade unter Kollegen ist Gewalt nicht nur keine Lösung, sondern auch eine schlechte Zukunftsvorsorge: Verletzt man seinen Kollegen oder greift ihn tätlich an, ist das ein Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung. Denn ein tätlicher Angriff stellt eine schwere Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten dar. Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 6.10.2005, Az.: 2 AZR 280/04) hat zudem festgelegt, dass eine Abmahnung bei einer Tätlichkeit unter Arbeitskollegen grundsätzlich nicht erforderlich ist, auch wenn es sich um eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung handelt. Als Grund dafür gab das Gericht an, der Arbeitnehmer müsse „von vornherein wissen, dass der Arbeitgeber ein derartiges Fehlverhalten nicht billigt.“ Außerdem bestätigte das Gericht, dass es dem Arbeitgeber im Fall eines tätlichen Angriffs auf einen Kollegen grundsätzlich nicht zumutbar ist, den Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen. Im Einzelfall kommt es jedoch auf die Schwere des Pflichtverstoßes sowie die Intensität und Folgen des tätlichen Angriffs an.
Beispiel aus der Praxis
Kündigung wegen Tätlichkeit: Der Fall aus der Praxis
Auch in einem Fall, der vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (LAG, Urteil vom 30.01.2014, 5 Sa 433/13) verhandelt wurde, lieferte der tätliche Angriff auf den Vorgesetzten einen Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung. Der Angestellte und spätere Kläger war für einige Wochen krankgeschrieben. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, zusammen mit seinem Vater in die Autowaschanlage zu fahren, um seinen Wagen zu reinigen. Auf frischer Tat wurde er dabei jedoch von seinem Vorgesetzten ertappt. Dieser ging zur Beweissicherung über und begann, mit seinem Handy Fotos von seinem Kollegen zu machen, der doch eigentlich das Bett hüten müsste. Der Kläger und sein Vater bemerkten, dass sie beobachtet wurden und es kam zu einer – auch körperlichen – Auseinandersetzung zwischen ihnen und dem Vorgesetzten. Dabei soll der Kläger seinen Vorgesetzten unter anderem an der Schulter gegriffen und zu Boden gedrückt haben.
Die Entscheidung des Gerichts
Das Geschehen veranlasste den Arbeitgeber dazu, dem Kläger fristlos, hilfsweise ordentlich zu kündigen. Der darauf folgenden Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht in erster Instanz nur teilweise statt. Die fristlose Kündigung sah das Arbeitsgericht als nicht wirksam an, die ordentliche Kündigung hingegen schon.
Der Arbeitnehmer legte daraufhin Berufung vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) ein. Das LAG bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Seine Entscheidung begründetet das LAG damit, dass Tätlichkeiten gegenüber einem Kollegen oder Vorgesetzten grundsätzlich eine ausreichende Veranlassung für eine ordentliche Kündigung darstellen. Es verwies auf ein weiteres Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 18.09.2008, 2 AZR 1039/06), wonach ein solches Verhalten, wie bereits erwähnt, eine „schwerwiegende Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten“ darstellt.
Dem LAG zufolge wäre sogar die vorangegangene fristlose Kündigung wirksam gewesen, da dem Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht seinen Angestellten gegenüber zukommt und er somit unter anderem gewährleisten muss, dass ihnen keine Gefahr in Form von Tätlichkeiten droht. Auch das Betriebsklima werde durch einen solchen Vorfall beeinträchtigt. Davon lässt sich ableiten, dass wer seine Kollegen tätlich angreift, nicht nur mit einer ordentlichen verhaltensbedingten, sondern mit einer fristlosen Kündigung rechnen muss. Die Rechtsprechung ist hier sehr streng.
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Unfreiwillige Verwicklung in eine körperliche Auseinandersetzung
Denkbar ist, dass man als Arbeitnehmer unabsichtlich in eine Schlägerei unter Kollegen gerät, die Konsequenzen jedoch in Form von einer Kündigung mittragen muss. Dazu hat das BAG im oben genannten Fall vom 18.09.2008 geurteilt, dass nicht in jeder Verwicklung eines Arbeitnehmers eine Pflichtverletzung liegt – wie immer kommt es hier auf die Prüfung des Einzelfalls an. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, ob nicht bereits im Vorfeld eine Provokation, zum Beispiel in Form von einer Beleidigung, erfolgt ist, die die körperliche Auseinandersetzung herbeigeführt hat. Auch eine solche verbale Attacke kann eine Pflichtverletzung darstellen und dem BAG zufolge muss sie kündigungsrechtlich eigenständig – also unabhängig von der körperlichen Auseinandersetzung – bewertet werden.
Kündigung wegen Gefährdung eines Kollegen
Auch wer seinen Kollegen absichtlich der Gefahr einer körperlichen Verletzung aussetzt, muss mit einer Kündigung rechnen. Das hat das LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 27.11.2012, 3 Sa 376/12) geurteilt. Nach einer verbalen Provokation hatte ein Arbeitnehmer seinem Kollegen ein 5 kg schweres Metallteil nachgeworfen und ihn damit nur knapp verfehlt. Auch zuvor war der Mann schon abgemahnt worden, weil er einen Kollegen mit der Faust verletzt hatte. Nach der Attacke mit dem Metallteil wurde dem Arbeitnehmer fristlos verhaltensbedingt gekündigt. Mit seiner Kündigungsschutzklage hatte der Mann keinen Erfolg. Dem LAG zufolge stellte sein Wutausbruch einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung dar.
Kündigung wegen Tätlichkeit: Denken Sie an Ihr Arbeitszeugnis
Wenn Ihnen wegen einer körperlichen Auseinandersetzung mit Ihrem Kollegen oder Vorgesetzten gekündigt wurde und Sie keine Möglichkeit für eine Weiterbeschäftigung sehen, sollten Sie unbedingt auf Ihr Arbeitszeugnis bestehen. Denn dieses steht Ihnen zu. Sollte Ihnen Ihr Arbeitgeber selbst nach einer höflichen mündlichen und einer schriftlichen Bitte das Zeugnis nicht zukommen lassen, empfehlen wir, einen auf Arbeitsrecht spezialisierten Anwalt einzuschalten.
Kündigung wegen Tätlichkeit: So sollten Sie sich verhalten
Denken Sie daran: Man sieht sich immer zweimal im Leben. Wenn Ihnen wegen einer Tätlichkeit gekündigt wurde, sollten Sie trotzdem darauf achten, dass Sie Ihren alten Arbeitsplatz im Guten verlassen und sich gegebenenfalls bei Ihren Kollegen und Vorgesetzten entschuldigen. Denn das kann sich auch positiv auf die Bewertung in Ihrem Arbeitszeugnis, das die Grundlage für eine neue Anstellung bildet, auswirken.
Beitrag geprüft von
Rechtsanwalt Philipp Caba**
Philipp Caba ist ein erfahrener Rechtsanwalt mit Schwerpunkt auf Zivil-, Bank- und Versicherungsrecht. Er studierte in Deutschland und Schweden und ist Geschäftsführer der Gansel Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.
* Angestellte Anwälte, ** Geschäftsführer, *** Freischaffende Rechtsanwälte