Nutzungsentschädigung im Abgasskandal: Das müssen Sie wissen!
- Zahlreiche Kunden haben bereits ihre Rechte gegen VW und Co. durchgesetzt.
- Bisher konnten die meisten Betroffenen jedoch nicht mit der kompletten Rückerstattung des Kaufpreises rechnen.
- In der Vergangenheit wurde beinahe in allen Fällen vom Kaufpreis eine sogenannte Nutzungsentschädigung abgezogen.
Inhalt:
- Was ist überhaupt eine Nutzungsentschädigung?
- Wie berechnet sich eine Nutzungsentschädigung?
- Lohnt sich ein Vorgehen trotz Abzug der Nutzungsentschädigung?
- Kaufpreis auch ohne Nutzungsentschädigung möglich?
- Wie wirken sich bereits gefällte Urteile auf die Zukunft aus?
- Häufige Fragen zum Thema "Nutzungsentschädigung im Abgasskandal
BGH-Urteil bestätigt Schadensersatz für Millionen Diesel
Der Bundesgerichtshof hat am 26. Juni 2023 eines der wichtigsten Urteile im Dieselskandal gefällt. Die Hersteller müssen für Millionen Diesel mit unzulässigen Abschalteinrichtungen einen pauschalen Schadensersatz von bis zu 15 Prozent des Kaufpreises zahlen. Vorsätzliche Sittenwidrigkeit muss nicht mehr nachgewiesen werden. Auf teure und langwierige Gutachten soll künftig auch verzichtet werden. Dieselklagen werden beschleunigt und Chancen für Betroffene auf Schadensersatz drastisch erhöht.
Was ist überhaupt eine Nutzungsentschädigung?
Der Begriff beinhaltet die Antwort: Es geht um eine Entschädigung, die für eine bestimmte Nutzung gefordert wird. Man kann sich vorstellen, dass dieser Begriff in zahlreichen Rechtsverhältnissen vorkommt. Doch in den letzten Jahren fiel das Wort "Nutzungsentschädigung" nahezu in jedem Abgasskandal-Fall.
Der Grund: In der Vergangenheit mussten Betroffene die Erfahrung machen, dass sie nicht den kompletten Kaufpreis von der Gegenseite zurückgezahlt bekamen. In der Regel wurde eine Nutzungsentschädigung abgezogen, die den eingetretenen Wertverlust des jeweiligen Fahrzeugs kompensieren soll. Schließlich waren die streitgegenständlichen Fahrzeuge über einen gewissen Zeitraum – teilweise über Jahre – in Benutzung.
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Wie berechnet sich eine Nutzungsentschädigung?
Für die Berechnung der Nutzungsentschädigung sind die vom Geschädigten seit dem Kauf gefahrenen Kilometer entscheidend. Denn am Kilometerstand lässt sich am besten festmachen, wie oft und wie viel das Fahrzeug in Benutzung war. Es lässt sich also sagen: Je mehr Kilometer mit dem Fahrzeug zurückgelegt wurden, desto höher fällt letzten Endes auch die Nutzungsentschädigung aus. Es macht demnach auch einen Unterschied, ob Sie ein Neufahrzeug oder einen Gebrauchtwagen gekauft haben:
#1 Nutzungsentschädigung bei einem Neuwagen
Um die Nutzungsentschädigung bei einem Neuwagen auszurechnen, wird folgende Formel angewendet. Unter dem Begriff erwartete Gesamtlaufleistung ist die Lebensdauer des Wagen zu verstehen. Je höher die Gesamtlaufleistung ist, desto länger dauert es, bis das Fahrzeug den Schrottwert erreicht hat.
Füllt man diese Formel mit Zahlen, kann anhand folgender Beispielrechnung noch deutlicher gemacht werden, wie "teuer" eine Nutzungsentschädigung bei einem Neuwagen werden kann:
Eine Kundin kauft im August 2017 ein Neufahrzeug zu einem Bruttopreis von 20.000 Euro. Mit diesem Fahrzeug ist sie innerhalb von zwei Jahren circa. 10.000 km unterwegs gewesen. Die erwartete Gesamtlaufleistung bzw. Lebensdauer des Wagens wurde auf 250.000 km festgelegt.
Die Nutzungsentschädigung beläuft sich somit auf 800 Euro, wenn die Käuferin sich dazu entscheidet, nach zwei Jahren das Fahrzeug zurückzugeben und den Kaufpreis dafür zu verlangen. Bei erfolgreicher gerichtlicher Durchsetzung würde sie dementsprechend vom ursprünglichen Kaufpreis 19.200 Euro zurückbekommen.
#2 Nutzungsentschädigung bei einem Gebrauchtwagen
Beim Kauf eines Gebrauchtwagen geht man nicht mehr von der Gesamtlaufleistung aus, sondern von der Restlaufzeit. Das heißt konkret: Von der Gesamtlaufleistung werden die bereits gefahrenen Kilometer vom Vorbesitzer abgezogen. Die Ursprungsformel muss deshalb ein wenig abgeändert werden:
Nehmen wir an, der Vorbesitzer ist bereits 80.000 Kilometer mit dem Fahrzeug gefahren. Dann wird dieser Kilometerstand von der erwartenden Gesamtlaufleistung abgezogen. Zur Vereinfachung nehmen wir die gleichen Zahlen, wir beim obigen Rechenbeispiel:
Lohnt sich ein Vorgehen trotz Abzug der Nutzungsentschädigung?
Wie Sie anhand des Rechenbeispiels erkennen, lohnt sich die Durchsetzung Ihrer Ansprüche in jedem Fall – auch wenn vom Kaufpreis eine Nutzungsentschädigung abgezogen wird. Je nachdem, wie lange Sie das Fahrzeug fahren, wird sich die Nutzungsentschädigungssumme jedoch erhöhen. Was umso ärgerlicher ist. Schließlich ist dem betrogenen Kunden nichts daran gelegen, VW und Co. mehr Geld als nötig zu zahlen.
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Die Beklagte hat hier vorsätzlich ein gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßendes, unanständig gesteigertes Gewinnstreben an den Tag gelegt, welches nur als im hohen Maße verwerflich und sittenwidrig eingestuft werden kann.
Die Beklagte hat durch den heimlichen Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung bewusst in sittenwidriger Art und Weise Millionen von Autokäufer getäuscht [...]. Dieser flächendeckende Einsatz einer Manipulationssoftware über einen Zeitraum von offenbar annähernd 10 Jahren hinweg, der sich bei lebensnaher Betrachtung ausschließlich aus Gründen der Kostensenkung und Gewinnmaximierung erklären lässt, würde andernfalls zu einer unbilligen Entlastung der Beklagten führen, [...]
Urteil vom 12. Februar 2019
Urteil vom 12. Februar 2019
Wie wirken sich bereits gefällte Urteile auf die Zukunft aus?
Die bisher gefällten Urteile haben schon jetzt weitreichende Folgen. Schließlich muss sich zwangsläufig jeder Richter fragen: Sind Nutzungsentschädigungen überhaupt zulässig? Die Antwort auf diese Frage ist trotzdem sehr umstritten und noch nicht endgültig erklärt.
Jetzt soll der Europäische Gerichtshof (EuGH), das oberste rechtsprechende Organ in der Europäischen Union, für rechtliche Klarheit sorgen. Denn hinsichtlich der Nutzungsentschädigungs-Thematik hat jüngst das Landgericht Gera zentrale Fragen des Abgasskandals dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt. Es bleibt abzuwarten, zu welcher Entscheidung der EuGH kommt. Fest steht jedoch: Wenn der EuGH sich auf die Seite des Verbrauchers stellt, kann es noch teurer für die Autohersteller werden. Dennoch lohnt es sich nicht, die Entscheidung des EuGH abzuwarten, da Ihre Ansprüche bis dahin längst verjährt sein könnten.
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Wie kann ich die Nutzungsentschädigungs-Summe gering halten?
Sie müssen wissen, dass der Kilometerstand erst am Tag der mündlichen Verhandlung aufgenommen wird. Dieser Kilometerstand wird als Rechnungsgrundlage für den entstandenen Nutzungsersatz genommen. Was im Umkehrschluss bedeutet: Je früher Sie gegen VW und Co. klagen, desto schneller kommt es zu einer mündlichen Verhandlung und desto geringer fällt die Nutzungsentschädigungssumme aus. Wenn Sie jedoch warten und noch mehr Kilometer ansammeln, wird es logischerweise teurer für Sie.
Wie kann ich für den Betrug an mir angemessenen entschädigt werden?
Wir können folgende Ansprüche für Sie durchsetzen:
- Kaufpreis zurück oder Neufahrzeug
- Auto behalten und Schadensersatz fordern
- Widerrufsjoker einlegen und Finanzierungskredit rückabwickeln
Egal, für welche Option Sie sich entscheiden, egal, ob Sie eine Rechtsschutzversicherung besitzen oder nicht – wir finden eine Lösung, um Ihre Ansprüche geltend zu machen.
Wie setze ich meinen Anspruch ohne Rechtsschutzversicherung durch?
Auch ohne Rechtsschutzversicherung bieten wir Ihnen die Möglichkeit, Ihre Ansprüche ohne eigenes Kostenrisiko geltend zu machen. Möglich wird dies durch einen sogenannten Prozesskostenfinanzierer. Dieser übernimmt für Sie alle Kosten (zum Beispiel eigene und gegnerische Anwaltshonorar sowie ggf. Gerichtskosten), die durch die Vertretung entstehen. Sie müssen nichts bezahlen – nur wenn wir für Sie einen Erfolg erzielt haben, erhält der Prozesskostenfinanzierer einen prozentualen Anteil des Ihnen zugesprochenen Betrags – eine sogenannte Erfolgsprovision. Sollte das Ergebnis nicht zu einem Erfolg führen, trägt der Prozesskostenfinanzierer alle Kosten.
Wie setze ich meinen Anspruch mit Rechtsschutzversicherung durch?
Sofern Sie eine Rechtsschutzversicherung haben, übernimmt diese die Kosten zur Forderung Ihrer Ansprüche. Jetzt tritt genau der Grund ein, weshalb Sie einst eine Versicherung abgeschlossen haben. Der Vorteil, den Sie als Rechtsschutzversicherter haben: Jeder Cent, den ein Autokonzern oder Händler Ihnen schuldet, bleibt bei Ihnen. Sie müssen lediglich für Ihre vereinbarte Selbstbeteiligung aufkommen. Wir stellen für Sie kostenfrei die Deckungsanfrage und kümmern uns im Anschluss um die Kommunikation und Abwicklung mit Ihrem Versicherer. Bei der Beauftragung für die Durchsetzung Ihrer Ansprüche senden wir direkt die Deckungsanfrage an Ihre Versicherung. Schneller und einfacher geht es nicht.
Beitrag geprüft von
Rechtsanwalt Philipp Caba**
Philipp Caba ist ein erfahrener Rechtsanwalt mit Schwerpunkt auf Zivil-, Bank- und Versicherungsrecht. Er studierte in Deutschland und Schweden und ist Geschäftsführer der Gansel Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.
* Angestellte Anwälte, ** Geschäftsführer, *** Freischaffende Rechtsanwälte